Richie Beirach und Gregor Hübner feiern zusammen im Rahmen des Bodenseefestivals
Ravensburg sz Werden Herr oder Frau Mustermann 50, so gibt es Glückwünsche und eine zünftige Party. Beim 70. kann schon mal die Blasmusik vorm Haus stehen. Richie Beirach, US-Tastenzauberer, und Gregor Hübner, begnadeter Geiger aus Ravensburg, haben am selben Tag Geburtstag, nämlich heute. Der eine wird 70, der andere 50 Jahre alt. Gefeiert worden ist aber schon am Sonntag, und wie: Im prächtigen Konzerthaus, mit Familie und vielen – zahlenden – Gästen, im Rahmen des Bodenseefestivals. Mit Bruder Veit am Bass, Michael Kersting als Drummer. Und, das ist wirklich ein Ereignis, mit Saxophonlegende Dave Liebman. Organisiert von der rührigen Initiative „Jazztime Ravensburg“ und dem Kulturamt.
Dave Liebman hat mit allen gespielt, mit fast allen. Miles Davis, Elvin Jones, Joachim Kühn, Paolo Fresu, Chick Corea, John Scofield, mit klassischen Ensembles. Richie Beirach ähnlich: mit Stan Getz, Dave Holland, Chet Baker, Billy Hart. Und lange mit Dave Liebman, es war eine enge Beziehung. Bis die musikalische Ehe in die Brüche ging. Es hat richtig geknallt. Seit Mitte der 1990er-Jahre konzertiert Richie Beirach mit Gregor und Veit Hübner, ein bestens eingespieltes Trio. Heute vertragen sich Beirach und Liebman wieder. Ist doch schön.
Saallicht aus, Scheinwerfer an. Liebman humpelt auf die Bühne, seit der Polioerkrankung in seiner Kindheit geht’s nicht anders. Veit Hübner beginnt mit mächtigem Bass, der Drummer peitscht Beirach vorwärts, oder umgekehrt, Liebman eröffnet ein wildes Spiel, Gregor Hübner wird für seinen Violinpart gleich gefeiert. Teufelsgeiger. Ein Stück von Beirach. Dann geht es in ruhigere Bahnen. Besonders eindringlich wird es, wenn Liebman am Altsaxophon oder Klarinette unisono mit Gregor Hübner und Veit Hübner und Richie Beirach balladesk zusammenkommt. Sanft wie ein Schmetterlingsschlag.
Das Programm ist bunt. Gregor Hübner, zuhause in vielen Welten, hat sich ja intensiv mit dem katalanischen Komponisten Frederic Mompou beschäftigt, zusammen mit Beirach und Drummer George Mraz eine CD herausgebracht. Daraus jetzt das Eröffnungsstück, „Impressiones Intimas“. Im Trio: weiche Besendrums, zärtliches Altsax, Hübners betörende Violine.
Dann wieder Energie pur
Dann Liebmans „Tender Mercies“ mit Dank an die Einladung seines neuesten Freundes, und danke für den Besuch im Elternhaus Hübner beim „Professor“. Vater Hübner hat Musik an einem Ravensburger Gymnasium gelehrt, die Hübner-Familie macht Musik in der fünften Generation, merkt Liebman an. Ein kerniges „What Love Is“, man erkennt den Song von Billie Holiday kaum wieder, Beirach’sche Energie pur. Dave Liebman mit den großen Linien.
Natürlich goutiert das Publikum die Balladen ganz besonders, sie sind ja auch allzu schön. Gregor Hübner hat einst ein Stück für seine Schwester geschrieben, „einem Engel, nicht von dieser Welt“, so Beirach. Elegisch, mit feinsten Verzierungen. Dann Richie Beirachs Liebeserklärung „Elm“, auch auf der neuesten CD mit Gregor Hübner „Live im Birdland in New York“ zu hören. Wen das nicht berührt, der hat ein Herz aus eiskaltem Stein.
Zugabe nach riesigem Beifall. Dave Liebman greift zur kleinen Holzflöte, intoniert „India“ von John Coltrane. Mit Respekt, mit großem Können. Welch ein Geburtstagskonzert!
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